Projekt Beschreibung

Falschbelehrungen über das Widerrufsrecht in Kreditverträgen – neue Klagewelle droht!

April 2020

Seit Jahren wird über die Auswirkungen einer unterlassenen oder mangelhaften Belehrung in Lebensversicherungsverträgen polemisiert. Der Europäische Gerichtshof („EuGH“) hat bereits ausgesprochen, dass Falschbelehrungen der Versicherer das unbefristete Rücktrittsrecht zur Folge haben.

Unlängst hat sich der EuGH mit einer Rechtsbelehrung über das Widerrufsrecht bei einem Verbraucherkreditvertrag beschäftigt (EuGH 26.03.2020, C-66/19). Konkret ging es um einen grundpfandrechtlich gesicherten Kreditvertrag mit der Kreditsumme über EUR 100.000,00. Der Kreditvertrag enthielt folgende Rechtsbelehrung:

„Der Darlehensnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrages, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs 2 BGB (z.B. Angabe zur Art des Darlehens, Angaben zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat…“

Was war falsch an dieser Widerrufsbelehrung?

Der EuGH stellte fest, dass diese Belehrung den einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 2008/48/EG widerspricht. Zusammengefasst führte der EuGH aus, dass im Kreditvertrag in klarer, prägnanter Form die Modalitäten (d.h. Informationen) für die Berechnung der Widerrufsfrist anzugeben sind. Der Beginn der Widerrufsfrist hängt unter anderem davon ab, ob der Kreditvertrag alle Pflichtangaben gemäß Art 10 Abs 2 der Richtlinie 2008/48/EG bzw. § 492 Abs 2 BGB enthält.

Im gegenständlichen Kreditvertrag sind die Pflichtangaben gemäß § 492 Abs 2 BGB für den Kreditnehmer nicht erkennbar, der Kreditvertrag enthält bloß den Verweis auf den § 492 Abs 2 BGB. Hinzu kommt, dass § 492 Abs 2 BGB auf weitere Gesetzesbestimmungen verweist. Damit der Kreditnehmer erfahren kann, welche Informationen für den Beginn der Widerrufsfrist maßgeblich sind, müsste er sich mit mehreren gesetzlichen Bestimmungen auseinandersetzen. Dies ist einem Kreditnehmer nach Ansicht des EuGH nicht zumutbar.

Verweist also ein Kreditvertrag hinsichtlich der Pflichtangaben nach Art 10 Abs 2 der Richtlinie 2008/48/EG lediglich auf nationale Vorschriften, so kann der Kreditnehmer auf Grundlage des Kreditvertrages nicht überprüfen, ob der Kreditvertrag alle Pflichtangaben enthält. Somit kann der Kreditnehmer auch nicht überprüfen, ob die Widerrufsfrist zu laufen begonnen hat.

Der EuGH-Urteil lässt zwar die Auswirkungen einer solchen mangelhaften Belehrung unerwähnt, es ist jedoch aufgrund des Schutzzwecks der einschlägigen EU-Bestimmungen und der bisherigen Rechtsprechung des EuGH klar, dass bei einer solchen mangelhaften Belehrung die Frist zur Ausübung des Rücktrittsrecht nicht zu laufen beginnen kann.

Rechtslage in Österreich?

Bestimmte Kredite wie zB Hypothekarkredite oder Kredite mit einer Kreditsumme von mehr als EUR 100.000,00 sind vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen. Jedem Mitgliedstaat stand es allerdings frei, den Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG zu erweitern, sodass die zwingenden Vorschriften der Richtlinie 2008/48/EG auch für jene Kredite gelten, die mit der Richtlinie 2008/48/EG nicht erfasst sind.

Die Richtlinie 2008/48/EG wurde in Österreich im Verbraucherkreditgesetz (Inkrafttreten am 11.06.2010) umgesetzt. Der österreichische Gesetzgeber hat im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie von der vorerwähnten Erweiterungsmöglichkeit offenbar Gebrauch gemacht, sodass von diesem Urteil auch die Hypothekarkredite ohne Wertgrenze umfasst sein müssten. Wir gehen daher davon aus, dass das Urteil in Österreich erhebliche Auswirkungen haben wird.

Welche Vorteile bringt das Urteil dem Kreditnehmer?

Wir gehen davon aus, dass der Vertragsrücktritt die Rückabwicklung des Kreditvertrags zur Folge hat. Vereinfacht gesagt, der Kreditnehmer müsste der Bank nur die Differenz zwischen der Kreditsumme und der bisher einbezahlten Summe zurückzahlen. Aufgrund des Vertragsrücktritts würde der Anspruch der Bank auf Zinsen entfallen, was für den Kreditnehmer eine enorme Ersparnis darstellt. Die Kreditverträge in den früheren Jahren hatten bekanntermaßen einen wesentlich höheren Zinssatz als dies heute der Fall ist.

Hat der Kreditnehmer nach dem Vertragsrücktritt den zurückzuzahlenden Betrag nicht in der Tasche, wird er wohl einen neuen Kredit aufnehmen müssen. Dieser neue Kredit wird aber idR für ihn günstiger sein, weil a) die Konditionen mittlerweile besser geworden sind und b) die Zinsen beim neuen Vertrag aufgrund der niedrigeren Kreditsumme berechnet werden würden. Wir sind der Meinung, dass fast jeder Kreditnehmer dadurch profitieren würde.

Abschließend ist anzumerken, dass dieses Urteil nur jene Kreditverträge betrifft, die nach dem Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2008/48/EG (12.05.2010) abgeschlossen wurden. Des Weiteren muss selbstverständlich im Einzelfall geprüft werden, ob eine Belehrung über das Rücktrittsrecht rechtskonform war.

Unsere Experten verfügen über jahrelange Erfahrung in Rücktrittsprozessen; die Durchsetzung von Rechten der Verbraucher gehört zu den Kernkompetenzen der Kanzlei VOGL Rechtsanwalt GmbH.

Haben Sie noch Fragen? Setzen Sie sich sich mit uns in Verbindung!

Falschbelehrungen über das Widerrufsrecht in Kreditverträgen – neue Klagewelle droht!

Seit Jahren wird über die Auswirkungen einer unterlassenen oder mangelhaften Belehrung in Lebensversicherungsverträgen polemisiert. Der Europäische Gerichtshof („EuGH“) hat bereits ausgesprochen, dass Falschbelehrungen der Versicherer das unbefristete Rücktrittsrecht zur Folge haben.

Unlängst hat sich der EuGH mit einer Rechtsbelehrung über das Widerrufsrecht bei einem Verbraucherkreditvertrag beschäftigt (EuGH 26.03.2020, C-66/19). Konkret ging es um einen grundpfandrechtlich gesicherten Kreditvertrag mit der Kreditsumme über EUR 100.000,00. Der Kreditvertrag enthielt folgende Rechtsbelehrung:

„Der Darlehensnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrages, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs 2 BGB (z.B. Angabe zur Art des Darlehens, Angaben zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat…“

Was war falsch an dieser Widerrufsbelehrung?

Der EuGH stellte fest, dass diese Belehrung den einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 2008/48/EG widerspricht. Zusammengefasst führte der EuGH aus, dass im Kreditvertrag in klarer, prägnanter Form die Modalitäten (d.h. Informationen) für die Berechnung der Widerrufsfrist anzugeben sind. Der Beginn der Widerrufsfrist hängt unter anderem davon ab, ob der Kreditvertrag alle Pflichtangaben gemäß Art 10 Abs 2 der Richtlinie 2008/48/EG bzw. § 492 Abs 2 BGB enthält.

Im gegenständlichen Kreditvertrag sind die Pflichtangaben gemäß § 492 Abs 2 BGB für den Kreditnehmer nicht erkennbar, der Kreditvertrag enthält bloß den Verweis auf den § 492 Abs 2 BGB. Hinzu kommt, dass § 492 Abs 2 BGB auf weitere Gesetzesbestimmungen verweist. Damit der Kreditnehmer erfahren kann, welche Informationen für den Beginn der Widerrufsfrist maßgeblich sind, müsste er sich mit mehreren gesetzlichen Bestimmungen auseinandersetzen. Dies ist einem Kreditnehmer nach Ansicht des EuGH nicht zumutbar.

Verweist also ein Kreditvertrag hinsichtlich der Pflichtangaben nach Art 10 Abs 2 der Richtlinie 2008/48/EG lediglich auf nationale Vorschriften, so kann der Kreditnehmer auf Grundlage des Kreditvertrages nicht überprüfen, ob der Kreditvertrag alle Pflichtangaben enthält. Somit kann der Kreditnehmer auch nicht überprüfen, ob die Widerrufsfrist zu laufen begonnen hat.

Der EuGH-Urteil lässt zwar die Auswirkungen einer solchen mangelhaften Belehrung unerwähnt, es ist jedoch aufgrund des Schutzzwecks der einschlägigen EU-Bestimmungen und der bisherigen Rechtsprechung des EuGH klar, dass bei einer solchen mangelhaften Belehrung die Frist zur Ausübung des Rücktrittsrecht nicht zu laufen beginnen kann.

Rechtslage in Österreich?

Bestimmte Kredite wie zB Hypothekarkredite oder Kredite mit einer Kreditsumme von mehr als EUR 100.000,00 sind vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen. Jedem Mitgliedstaat stand es allerdings frei, den Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG zu erweitern, sodass die zwingenden Vorschriften der Richtlinie 2008/48/EG auch für jene Kredite gelten, die mit der Richtlinie 2008/48/EG nicht erfasst sind.

Die Richtlinie 2008/48/EG wurde in Österreich im Verbraucherkreditgesetz (Inkrafttreten am 11.06.2010) umgesetzt. Der österreichische Gesetzgeber hat im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie von der vorerwähnten Erweiterungsmöglichkeit offenbar Gebrauch gemacht, sodass von diesem Urteil auch die Hypothekarkredite ohne Wertgrenze umfasst sein müssten. Wir gehen daher davon aus, dass das Urteil in Österreich erhebliche Auswirkungen haben wird.

Welche Vorteile bringt das Urteil dem Kreditnehmer?

Wir gehen davon aus, dass der Vertragsrücktritt die Rückabwicklung des Kreditvertrags zur Folge hat. Vereinfacht gesagt, der Kreditnehmer müsste der Bank nur die Differenz zwischen der Kreditsumme und der bisher einbezahlten Summe zurückzahlen. Aufgrund des Vertragsrücktritts würde der Anspruch der Bank auf Zinsen entfallen, was für den Kreditnehmer eine enorme Ersparnis darstellt. Die Kreditverträge in den früheren Jahren hatten bekanntermaßen einen wesentlich höheren Zinssatz als dies heute der Fall ist.

Hat der Kreditnehmer nach dem Vertragsrücktritt den zurückzuzahlenden Betrag nicht in der Tasche, wird er wohl einen neuen Kredit aufnehmen müssen. Dieser neue Kredit wird aber idR für ihn günstiger sein, weil a) die Konditionen mittlerweile besser geworden sind und b) die Zinsen beim neuen Vertrag aufgrund der niedrigeren Kreditsumme berechnet werden würden. Wir sind der Meinung, dass fast jeder Kreditnehmer dadurch profitieren würde.

Abschließend ist anzumerken, dass dieses Urteil nur jene Kreditverträge betrifft, die nach dem Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2008/48/EG (12.05.2010) abgeschlossen wurden. Des Weiteren muss selbstverständlich im Einzelfall geprüft werden, ob eine Belehrung über das Rücktrittsrecht rechtskonform war.

Unsere Experten verfügen über jahrelange Erfahrung in Rücktrittsprozessen; die Durchsetzung von Rechten der Verbraucher gehört zu den Kernkompetenzen der Kanzlei VOGL Rechtsanwalt GmbH.

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